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GEFAHRENMUSTER

Skitouren Special

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Die 10 Gefahrenmuster und ihre Bedeutung für Skitourengeher

Die Lawinenprobleme geben vor allem einen groben Überblick. Bei den Gefahrenmustern wird dann schon etwas genauer analysiert und den Ursachen für das momentan vorherrschende Problem auf den Grund gegangen. Sie beschreiben mögliche Szenarien beziehungsweise Prozesse, die zum jeweiligen Lawinenproblem führen. Gefahrenmuster sind typische, immer wiederkehrende und meist offensichtliche Gefahrensituationen. Diese Gefahrensituationen sollen mit Hilfe der Lawinenprobleme und der Gefahrenmuster rascher erkannt, das Verhalten im Gelände entsprechend angepasst und dadurch Lawinenunfälle vermieden werden. Sie lassen sich in die folgenden 10 Kategorien einteilen und treten vorwiegend in den markierten Monaten auf:

2020_07_26_Westliche+Zinne+-+Cassin_23.j

Gefahrenmuster 1 und 2

GM 1: Bodennahe Schwachschicht vom Frühwinter:
Große Schneemengen, die im Herbst fallen, bleiben meist nur in großen Höhen und im schattigen Gelände liegen. Gibt es danach eine längere Hochdrucklage wandelt sich der Schnee durch die nächtliche Ausstrahlung aufbauend um und bildet für die nächsten Schneefälle im Frühwinter eine Schwachschicht die mitunter lange beachtet werden muss.

Zu stören sind diese Schwachschichten generell im Frühwinter. Bei zunehmender Schneehöhe nimmt die Störanfälligkeit ab. Im Frühjahr kann diese Schwachschicht allerdings noch einmal zum Problem werden sobald die Schneedecke zunehmend durchnässt wird. Dann sind mitunter große Lawinen möglich.


GM 2: Gleitschnee
Gleitschneelawinen sind häufig im Frühjahr bei starker Durchfeuchtung der Schneedecke und im Frühwinter, wenn der noch warme Boden eingeschneit wird und den Gleitprozess fördert. Gleitschneelawinen kündigen sich meist durch die sogenannten „Gleitschneemäuler“ an, die entgegen einer alten und schwer auszurottenden Lehrmeinung kein Indiz für eine günstige Lawinensituation sind. Gleitschneelawinen sind hinsichtlich des Abgangszeitpunktes die am schwierigsten vorherzusagenden Lawinen. Sie gehen spontan sowohl am kältesten als auch am wärmsten Tag des Winters ab und sind eigentlich nicht durch Zusatzbelastung zu stören.

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Gefahrenmuster 3 und 4

GM 3: Regen
Regen ist ein klassisches Alarmzeichen für Lawinen. Er führt zu einem raschen Gewichtszuwachs und zu starkem Festigkeitsverlust der Schneedecke. Regen ist über den gesamten Winter möglich. Der Vorteil: Kein Gefahrenmuster ist leichter zu erkennen.


GM 4: Kalt auf warm / warm auf kalt
Große Temperaturschwankungen, egal ob kalt auf warm oder umgekehrt, wirken sich negativ auf die Stabilität der Schneedecke aus. Der Grund: Die aufbauende Umwandlung der Schneekristalle wird dadurch begünstigt und es entstehen dünne störungsanfällige Schwachschichten. Es ist ein recht heimtückisches Gefahrenmuster, weil sich die Schwachschicht erst einige Tage nach dem Einschneien im inneren der Schneedecke bildet und von außen praktisch nicht zu erkennen ist, erst durch das graben von Schneeprofilen.

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Gefahrenmuster 5 und 6

GM 5: Schnee nach langer Kälteperiode
Ein klassisches Lawinenereignis: nach einer längeren Kälteperiode beginnt es zu schneien. Zusätzlich weht kräftiger Wind, der den Neuschnee entsprechend verfrachtet. Der Schnee kommt auf einer lockeren, meist aus Schwimmschnee bestehenden Altschneedecke zu liegen. Unter diesen beiden Schichten besteht eine sehr schlechte Bindung und die Schwachschicht wartet nur noch darauf durch Zusatzbelastung gestört zu werden. Bei intensiven Schneefällen der sehr oft auch durch kräftigen Wind begleitet wird, lösen sich häufig großflächig spontane Lawinen. Noch gefährlicher wird es, wenn zusätzlich die Temperatur rasch ansteigt. Es genügt auch „nur“ kräftiger Wind nach einer Kälteperiode um den Schnee in großem Stile zu verfrachten und abzulagern.


GM 6: Lockerer Schnee und Wind
„Der Wind ist der Baumeister der Lawinen“ – Ein Spruch aus den 30ern des vorigen Jahrhunderts der nach wie vor uneingeschränkt gültig ist. Starker Wind beeinflusst sowohl den fallenden als auch den bereits abgelagerten Schnee. Der Wind ist einer der wesentlichsten Lawinenbildenden Faktoren. Wie stark der Wind sein muss um Schneekristalle zu verfrachten hängt von mehreren Faktoren ab und ist nicht genau zu definieren. Sicher ist jedoch: Je kälter der verfrachtete Schnee, desto empfindlicher reagiert er auf Belastung. Charakteristisch für dieses Gefahrenmuster ist, dass die Schwachschicht meist aus lockerem Neuschnee besteht, der von Triebschnee überlagert worden ist. Ein Muster, das sich in der Regel recht gut erkennen lässt und nur von kurzer Dauer ist. Ausnahme: Selten kommt es vor, dass die aus lockeren aufbauend umgewandelten Kristalle aus einer Altschneedecke verfrachtet werden und harte, spröde über längere Zeit störanfällige Schneebretter gebildet werden.

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Gefahrenmuster 7 und 8

GM 7: Schneearm neben Schneereich
Schneearme Bereiche sind in der Regel störanfälliger, weil sie einen ungünstigeren Schneedeckenaufbau aufweisen als schneereiche. Das hat mit den vermehrten Umwandlungsprozessen innerhalb der Schneedecke zu tun. Zudem lassen sich Lawinen in schneearmen Bereichen viel leichter auslösen, da die Schwachschichten nicht tief in der Schneedecke begraben sind und deshalb leichter gestört werden können. Häufig trifft man die Abbruchstelle von Lawinen also in den Übergangsbereichen von wenig zu viel Schnee an.


GM 8: Eingeschneiter Oberflächenreif
Oberflächenreif allein birgt noch keine Gefahr. Erst sobald er von neuen, gebundenen Schneeschichten überdeckt wird, wird er gefährlich und gilt als eine der kritischsten Schwachschichten in der Lawinenkunde. Oberflächenreif entsteht während langer, kalter Schönwettephasen. Eine Sonderform stellt der Nigg-Effekt dar: Durch warme und feuchte Luft, die über einen Grat streicht, bildet sich in dessen Schattenlage auf der kalten Schneeoberfläche Reif. Er gilt als klassische Expertenfalle, weil dieser Reif nur an den Geländekanten feststellbar ist. Der Effekt tritt vor allem im Früh- und Spätwinter auf.

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Gefahrenmuster 9 und 10

GM 9: Eingeschneiter Graupel
Der Graupel ist eine kugelförmige Niederschlagsform, die bevorzugt im Frühjahr bei gewitterartigen Schauern auftritt. Triebschnee, der sich darüber sammelt ist meist nur schlecht mit dieser Schwachschicht verbunden. Der Graupelt funktioniert wie ein Kugellager und bietet eine ideale Gleitfläche. Graupel ist häufig nur kleinräumig verteilt und selbst für Experten nur schwer zu erkennen. Eine durchwegs heimtückische Angelegenheit, die zum Glück nur kurzfristig problematisch ist.


GM 10: Frühjahrssituation
Eine besondere Phase des Winters stellt das Frühjahr dar: Selten liegen „sicher“ und „gefährlich“ so eng beieinander. Einerseits ist die Lawinengefahr bei stabilen Firnverhältnissen kaum einmal leichter einzuschätzen, andererseits werden kaum jemals im Winter so große Lawinenabgänge verzeichnet. Kritisch wird es immer dann, wenn bei bedecktem Himmel die Lufttemperatur hoch, die Strahlung intensiv, die Luft sehr feucht ist und zudem kein Wind weht. Die Schneedecke wird dann besonders rasch nass und die Lawinengefahr steigt. Nach einer klaren, kühlen Nacht kann man zumindest in den Morgenstunden von sicheren Verhältnissen ausgehen. Zeitliche Disziplin sowie Flexibilität bei der Tourenplanung sind gefragt.

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Diese 10 Gefahrenmuster wurden entwickelt, um die Lawinengefahr sowie die komplexen Prozesse innerhalb der Schneedecke noch besser beschreiben zu können. Sie waren ursprünglich dazu gedacht, die 5 Lawinenprobleme abzulösen. Das haben sie zwar nicht geschafft, dennoch stellen sie eine sehr wichtige Information des Lawinenlageberichts dar und sind für uns Skitourengeher eine große Hilfe in der Beurteilung der Lawinengefahr draußen im Gelände.

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Brunner Andreas - Südtirolalpin

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