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HOCHTOUR LERNEN

Alpinwissen

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Die Schönheit des Hochgebirges und der Gletscher kennen lernen

Sich auf Hochtour zu begeben bedeutet auf die höchsten, abgelegensten und zum Teil anspruchsvollsten Gipfel zu steigen. Eine Tätigkeit, die zum einen unglaublich viel Freude bereiten kann, zum anderen jedoch auch schnell ernsthaft werden kann. Man ist da oben der Natur voll ausgeliefert und nicht selten auf sich und die Fähigkeiten seiner Tourenpartner angewiesen. Alles Wichtige, damit Hochtouren der Genuss bleiben, der sie sein sollten, werde ich hier kurz und bündig versuchen zusammenzufassen.

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Grundsätzliche Überlegungen bevor es auf den Gletscher geht

Zunächst ein paar einfache Überlegungen, die den Einstieg in diese faszinierende Bergwelt erleichtern sollen. Anhand einiger simpler Grundregeln kann ein sehr großes Plus an Sicherheit dazugewonnen werden und minimieren das Risiko, gleich bei einer der ersten Touren schlechte Erfahrungen zu machen.

Ein wesentlicher Punkt, der für das Bergsteigen im Allgemeinen gilt: Beginne mit einfachen Touren und wachse an den langsam steigenden Herausforderungen. Die Vorteile bei Fehlern, die jedem zwangsläufig unterlaufen, liegen auf der Hand: Kurze Rückzugswege, mehr Energiereserven, moderate Schwierigkeiten, wenig Alpine Gefahren, die es zu beachten gilt.

Weiters sehr wichtig ist eine gute Vorbereitung. Dazu zählt nicht nur körperliches Training, sondern auch eine gute Tourenplanung. Auch das will gelernt sein. Sich hier eine Routine anzugewöhnen und möglichst viele Informationen über alle wichtigen Aspekte, die es bei großen Touren zu beachten gibt, im Kopf zu haben wird einem unterwegs ungemein helfen und vieles effektiver und sicherer machen. Du findest einen eigenen Artikel darüber in den Südtirolalpin Wissensseiten.

Eine dritte und letzte Überlegung, die gemacht werden sollte, bevor man sich Hals über Kopf in ein Abenteuer stürzt: Kenne ich die Gefahren, die es zu beachten gilt und beherrsche ich die nötigen Seil- und Sicherungstechniken, um nicht im Russisch Roulette Stil unterwegs zu sein. Doch woher bekomme ich all die nötigen Infos und wer zeigt mir diese Techniken? Ganz klar, das Beste ist es, wenn man sich diese wichtige Säule, die jeder ambitionierte Bergsteiger sowieso braucht, von einem erfahrenen Alpinisten beibringen lässt. Ob das nun im Rahmen eines Kurses passiert, man sich einem Bergführer anvertraut oder das Glück hat im eigenen Kollegenkreis ebensolche Personen zu haben, ist letztendlich egal.

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Das Material

Welches Material auf einer Hochtour benötigt wird hängt natürlich enorm von der jeweiligen Schwierigkeit, den persönlichen Vorlieben und den momentanen Verhältnissen der gelplanten Tour ab. Ich beschränke mich hier auf die absolute Basis an technischer Ausrüstung, die auf jeder Hochtour zum Grundsortiment zählen sollte. Diese individuell zu erweitern oder je nach Tour zu modifizieren ist natürlich notwendig.

Auf Hochtour benötigt man:
- Klettergurt
- Steigeisen
- Gletscherpickel
- Eisschraube
- 2 HMS Karabiner
- 2 Verschlusskarabiner
- 3 Kevlarschnüre (1mt., 3mt. und 3.5mt.)
- 2 Rund- oder Bandschlingen (120cm)
- 1 Seil (Halb- oder Einfachseil – mindestens 40 Meter)

Viele weitere Gegenstände (Rucksack, steigeisenfeste Schuhe, Bekleidung, Stirnlampe, Erste Hilfe Set und vieles mehr…) gehören natürlich auch dazu. Eine vollständige Liste findest du in den Packlisten von Südtirolalpin zu jeder Disziplin des Bergsports.

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Die Anseilmethoden

Sobald vergletschertes Gelände betreten wird, ist es sinnvoll, dass man sich anseilt. Wann genau das passieren sollte hängt von vielen Faktoren ab. Grundsätzlich gilt jedoch: Liegt Schnee auf dem Gletscher sind die Spalten nicht mehr sichtbar. Man geht direkt über die Spalten hinweg, ohne zu wissen, wie stabil die Schneebrücken, auf denen man sich bewegt eigentlich sind. Hier im Seil zu hängen hat nur Vorteile.

Der Seilerste nimmt genügend Restseil auf oder verstaut es im Rucksack und bindet sich am Gurt ein. Hier sind mehrere Methoden möglich. Die einfachste ist eine Sackstichschlaufe, die in einen 3 Wegekarabiner oder 2 gegengleich eingehängte Schraubkarabiner am Anseilring des Klettergurtes gehängt wird. Die restlichen Mitglieder der Seilschaft binden sich ebenfalls in Sackstichschlaufen auf die gleiche Weise in das Seil ein.

Je nach Anzahl der Personen, die eine Seilschaft bilden, müssen die Abstände zwischen den einzelnen Seilpartnern gewählt werden:
- 2 Personen: 10-15 Meter (mit 2 Bremsknoten dazwischen)
- 3 Personen: 7-10 Meter (mit 1 Bremsknoten dazwischen)
- 4 Personen: 6-8 Meter

Der Seilletzte bindet sich mit einem gesteckten Achterknoten direkt in das Seilende ein.

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Hochalpine Gefahren

Angeseilt auf dem Gletscher hat man zumindest eine Gefahr, die einem auf Hochtouren begegnet recht gut im Griff: Die Gletscherspalten. Doch gibt es noch viele andere Punkte, die es zu beachten gilt. Eine Frage, die man sich in den Bergen eigentlich immer stellen kann: Was ist über mir und was ist unter mir.

Die Absturzgefahr:
Neben der Spaltensturzgefahr ist die Absturzgefahr bei Hochtouren eine der größten Probleme, mit denen man konfrontiert wird. Kann die Gefahr auf Graten oder in felsigen Abschnitten meist gut gesichert werden, wird es in steilen Firnflanken problematisch. Hier in einer Seilschaft angeseilt wie auf dem Gletscher zu gehen kann im Falle eines Sturzes von nur einer Person zum Absturz der gesamten Seilschaft führen. Hier empfiehlt es sich, das Seil weg zu lassen. Dann ist zwar jeder für sich alleine Verantwortlich, im Falle eines Fehlers endet es jedoch nicht für alle fatal. Ist es nicht möglich, das Seil weg zu lassen, muss entweder in extrem kurzen Abständen gegangen werden oder Seillängen mit Fixpunkten (zum Beispiel T-Anker) eingerichtet werden. Die Entscheidung wann welche Technik anzuwenden ist erfordert jedoch viel Erfahrung und ist nicht für Anfänger geeignet.

Stein- oder Eisschlag:
Die Frage was ist über mir und könnte es auf mich herabstürzen wird man sich in den Bergen öfters stellen. Vor allem im Hochgebirge, wo alles in ständigem Wandel ist, sind herabfallende Steine oder einstürzende Seracs keine Seltenheit. Der auftauende Permafrost, der einst alles zusammengehalten hat lässt mit seinem Rückgang wahre Geröllhalden zurück, die vor allem mit Einwirken der Sonne in Bewegung geraten. Für Seracs gelten andere Gesetze: Sie halten sich nicht an Temperaturen oder an einen tageszeitlichen Rhythmus. Sie werden durch die Bewegung des Eises unweigerlich über den Abgrund geschoben und brechen sobald das Gewicht zu groß wird.

Lawinen:
Auch im Sommer auf Hochtouren sind Lawinen nicht ausgeschlossen. Vor allem nach Neuschneefällen gelten dieselben Gesetze wie im Winter auch. Doch Lawinen können auch durch herabstürzende Felsen, Wechten oder Seracs ausgelöst werden. Deshalb sollten auch die Einzugsgebiete für mögliche Lawinen beachtet werden. Es ist zwar unwahrscheinlich und man braucht einiges an Pech davon betroffen zu sein, jedoch ist es in der Vergangenheit Alpinisten schon öfters passiert.

Das Wetter:
Das Wetter in den Bergen kommt und geht schneller als im Tal. Dafür hat man von oben jedoch auch einen wesentlich besseren Überblick und sollte die Entwicklung immer im Auge behalten. Gewitter fallen ziemlich heftig aus da oben, zudem ist man vor allem auf Graten den Elementen komplett ausgeliefert. In einem eigenen Artikel gehe ich deshalb etwas genauer auf die Besonderheiten des Wetters in den Bergen ein. Du findest ihn in den Wissenseiten.

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Notfallmanagement

Oft ist man im Falle eines Notfalls in den Bergen auf sich allein gestellt. Zwar sind die Bergrettungen in den Alpen besonders gut organisiert und können in der Regel schnell zu Hilfe eilen, doch besonders bei schlechtem Wetter, wenn eh schon alles problematisch, schwierig und heikel ist, können auch sie nicht ins Hochgebirge vordringen. Ein Grundsortiment an Erster Hilfe sowie Ausrüstung für ein Notbiwak sollten deshalb immer dabei sein. Zudem ist das Beherrschen von elementaren Seiltechniken im Falle eines Spaltensturzes sowie andere behelfsmäßige Bergrettungen nur von Vorteil. Ein bis Zwei Tage in Kurse oder Ausbildung in diesem Bereich zu investieren hat durchaus seine Berechtigung. Einen Artikel über die Spaltenrettung findest du auch in den Wissensseiten hier auf Südtirolalpin.

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Hochtouren auf dem Papier zu lernen wird nicht funktionieren. Dazu hilft nur eines: Raus gehen, sich die erforderlichen Techniken, Tipps und Tricks zeigen zu lassen und am besten von erfahrenen Bergsteigern zu lernen. Fehler wird jeder machen, in den Bergen könnte es jedoch schnell auch der letzte sein. Auf eigene Faust los zu ziehen und auf gut Glück das Beste zu hoffen kann zwar auch funktionieren, sollte aber besser in Sportarten passieren, wo die Folgen von Fehlern weniger fatal sind. Es gibt doch nichts schöneres, als diese wunderbaren Berge inmitten der atemberaubenden Natur mit dem Wissen genießen zu können, dass man absolut sicher unterwegs ist und dieses Gefühl noch möglichst häufig wiederholen kann.

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Brunner Andreas - Südtirolalpin

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